PATIENT*INNENORIENTIERTE
KOMMUNIKATION IN DER ONKOLOGIE

6 PATIENT*INNENEDUKATION

Grundgedanke vieler Ansätze zur Patient*innenedukation ist, dass Informationen, Anleitung und Training das Selbstvertrauen von Patient*innen stärken können, sodass die Herausforderungen der Erkrankung besser bewältigt werden können [Baumann und Welslau 2017]. Ein komplexeres Wirkmodell schreibt der Patient*innenschulung primär positive Effekte auf Wissen, Fertigkeiten, Motivation und Einstellung der Patient*innen zu. Darauf aufbauend wird in weiteren Stufen (i) das Selbstmanagement und Empowerment, (ii) das Gesundheitsverhalten, (iii) die Morbidität und Funktionsfähigkeit sowie letztendlich (iv) die Lebensqualität und Teilhabe beeinflusst. Je höher die Stufe, desto größer sind jedoch die Einflüsse von personenbezogenen Faktoren und Umweltfaktoren, sodass der Effekt von Schulungen auf diese Komponenten häufig geringer ausfällt [Faller et al. 2011]. Dass sich mithilfe von Interventionen zur Patient*innenedukation die individuelle Gesundheitskompetenz verbessern lässt und dies wiederum mit positiven Effekten auf die Adhärenz verbunden ist, zeigte eine Meta-Analyse von Miller. Insbesondere bei vulnerablen und sozial benachteiligen Patient*innen war dieser Zusammenhang besonders ausgeprägt [Miller 2016].

Da der Anteil oraler Therapien stark zunimmt, werden auch die Kenntnisse über die korrekte Einnahme, Lagerung und Handhabung oraler Medikamente für onkologische Patient*innen immer wichtiger. Zur Unterstützung von ärztlichem und pflegerischem Personal wurde eigens das Oral Agent Teaching Tool der MASCC (Multinational Association of Supportive Care in Cancer) (MOATT, www.mascc.org) entwickelt, ein Gesprächsleitfaden für die Aufklärung und Information von Patient*innen, die eine orale Krebsmedikation erhalten [Kav et al. 2010]. Dieser Leitfaden beinhaltet Kernfragen zur Einschätzung des/der Patient*in, Hinweise für die allgemeine Aufklärung für alle oralen Präparate sowie Hinweise für medikamentenspezifische Informationen, die im Anschluss an das Gespräch ausgehändigt werden können. Ein weiterer Abschnitt dient der Überprüfung, ob der/die Patient*in alle wichtigen Informationen verstanden hat. Auf Basis des MOATT wurde in Deutschland ein standardisiertes Schulungsprogramm entwickelt, das in einer prospektiven, clusterrandomisierten Studie im Rahmen des Projekts Patients‘ Competence in Oral Cancer Therapy (PACOCT) getestet wurde. Daran waren 28 onkologische Schwerpunktpraxen beteiligt, die 2:1 auf den Interventions- (111 Patient*innen) bzw. Kontrollarm (54 Patient*innen) randomisiert wurden. Pflegekräfte der Interventionsgruppe erhielten vor Studienbeginn ein spezielles Training und führten die Patient*innenschulung zusätzlich zum Aufklärungsgespräch des/der behandelnden Ärzt*in durch (T0). Vier weitere Schulungen durch die Pflegekräfte folgten in Intervallen von zwei (T1, T2) bzw. vier Wochen (T3, T4). Die Studienergebnisse zeigten, dass in der Interventionsgruppe fast alle untersuchten Nebenwirkungen tendenziell seltener auftraten als in der Kontrollgruppe (Abbildung 3) und Patient*innen die Therapie seltener ohne ärztliche Absprache unterbrachen. Demnach können Patient*innen von dem standardisierten Schulungsprogramm auf Basis des MOATT profitieren [Riese et al. 2017].

Dass Schulungsmaterial allein häufig nicht ausreichend ist, um die Therapietreue onkologischer Patient*innen zu verbessern, demonstrierte wiederum die prospektive, randomisierte, offene Parallelgruppenstudie Patient’s Anastrozole Compliance to Therapy (PACT, NCT00555867). Diese schloss 4.844 postmenopausale Frauen mit Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs ein, die eine adjuvante endokrine Therapie mit einem Aromatase-Inhibitor begannen. Patientinnen im Interventionsarm erhielten während des ersten Behandlungsjahres neun Informationsschreiben und -broschüren, monatliche Erinnerungen bezüglich der Persistenz sowie kleine Geschenke. Zwölf Monate nach Therapiebeginn zeigte sich in dieser Studie kein Unterschied zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe in Bezug auf die Adhärenz- und Persistenzraten [Hadji et al. 2013].

Insgesamt deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass ohne vorherige Patient*innentypisierung eine umfassende Patient*innenedukation mithilfe regelmäßiger Schulungen und persönlichem Kontakt zu medizinischem Personal erforderlich ist, um positive Effekte aufzuzeigen.