MOLEKULARE TESTUNG BEIM NICHT-KLEINZELLIGEN LUNGENKARZINOM

4. Leitlinienempfehlungen zur molekularen Testung

Aufgrund ihrer Bedeutung für die Therapieentscheidung und die Prognose der Patient*innen hat die molekulare Diagnostik Eingang in sämtliche Leitlinien zum NSCLC gefunden. Im folgenden Kapitel werden die Empfehlungen der American Society for Clinical Oncology (ASCO), der European Society for Medical Oncology (ESMO), der DGP (S3-Leitlinie, Stand 2018) sowie von Onkopedia (Stand Juli 2021) miteinander verglichen. Eine Übersicht der Aussagen aus der Onkopedia-Leitlinie ist im folgenden Kasten zusammengestellt.

WELCHE PATIENT*INNEN SOLLEN GETESTET WERDEN?

Laut der amerikanischen ASCO-Leitlinie empfiehlt sich eine molekulare Testung für alle Patient*innen mit NSCLC im Stadium IV, die einen Adenokarzinom-Anteil haben, keine plattenepitheliale Histologie aufweisen oder falls klinische Merkmale, wie ein junges Alter (< 50 Jahre) oder keine bzw. leichte Tabakrauchexposition, auf eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für onkogene Treiber hindeuten [Kalemkerian et al. 2018].

Die europäische ESMO- und die deutsche Onkopedia-Leitlinie empfehlen hingegen, alle Patient*innen mit NSCLC im Stadium IV einer molekularen Diagnostik zu unterziehen [Onkopedia 2021, Planchard et al. 2020b]. Gemäß der S3-Leitlinie der DGP sollen Testungen bei allen nicht kurativ behandelbaren nichtplattenepithelialen NSCLC sowie Platten­epithel­karzinom von Nicht- und Leichtrauchern im Stadium IV durchgeführt werden [Leitlinienprogramm Onkologie 2018]. Aufgrund der im Juli 2021 erfolgten Zulassungserweiterung für den EGFR-TKI Osimertinib auf die adjuvante Therapie nach vollständiger Tumorresektion bei Betroffenen im Stadium IB bis IIIA ist eine Testung dieser Patient*innen auf EGFR-Mutationen wichtig und daher davon auszugehen, dass auch die Leitlinien-Empfehlungen entsprechend erweitert werden.

WELCHE MOLEKULAREN TREIBER SOLLEN UNTERSUCHT WERDEN?

Die ASCO-Leitlinie empfiehlt die standardmäßige Untersuchung der Gene EGFR, ALK, ROS1 und BRAF. Ein routinemäßiger Einzeltest der Gene RET, ERBB2, KRAS und MET gilt hingegen als nicht indiziert, als Teil größerer Mehrfachtests können diese Zielgene jedoch miteinbezogen werden [Kalemkerian et al. 2018]. Die ESMO-Leitlinien empfehlen die Testung von EGFR, ALK, ROS1, BRAFV600E und NTRK [Planchard et al. 2020b], die zuletzt im Juli 2021 aktualisierte Onkopedia-Leitlinie schließt darüber hinaus auch RET ein [Onkopedia 2021]. Die Autoren wiesen zudem bereits damals auf METex14-Skipping und KRASG12C als zukünftig therapierelevante Treiber hin. Die Aussage in der S3-Leitlinie ist offen gehalten, es soll auf alle therapeutisch relevanten Mutationen getestet werden. Ist der Mutationsstatus in dieser Hinsicht negativ, sollte auch auf potenziell therapierbare Mutationen getestet werden, um eine zielgerichtete Therapie beispielsweise im Rahmen einer klinischen Studie zu ermöglichen [Leitlinienprogramm Onkologie 2018].

WELCHES TESTVERFAHREN WIRD EMPFOHLEN?

Wenn vorhanden, sind Multiplex-Plattformen, wie das NGS, sowohl gemäß der ASCO- als auch der ESMO-Leitlinie anderen Nachweisverfahren vorzuziehen [Kalemkerian et al. 2018, Planchard et al. 2020b]. Die Experten der ASCO weisen zudem darauf hin, dass die verwendete Testmethode für den Nachweis genetischer Aberrationen in Proben mit einem Tumorzellanteil von lediglich 20 % geeignet sein soll [Kalemkerian et al. 2018]. Die Onkopedia-Leitlinie macht hingegen keinerlei spezifische Angaben zu dieser Fragestellung und weist lediglich auf eine zielgerichtete, integrierte und qualitätsgesicherte Diagnostik hin [Onkopedia 2021]. Laut der S3-Leitlinie ist zum Zeitpunkt der Erstellung keine Empfehlung hinsichtlich eines bestimmten Testverfahrens möglich gewesen. Sie empfiehlt jedoch Verfahren, die das Ergebnis innerhalb von zehn Arbeitstagen liefern und eine ausreichende Sensitivität für die Detektion von Mutationen in Proben mit nur 10 % Tumoranteil besitzen. Diesbezüglich zeigten Studien eine Überlegenheit von Parallelsequenzierungen oder PCR-basierten Methoden gegenüber der Sanger-Sequenzierung [Leitlinienprogramm Onkologie 2018].