MOLEKULARE TESTUNG BEIM NICHT-KLEINZELLIGEN LUNGENKARZINOM

3. METHODEN UND BEDEUTUNG DER MOLEKULAREN TESTUNG

Zum Nachweis genetischer Veränderungen stehen unterschiedliche molekularbiologische Verfahren zur Verfügung. Zum Beispiel können Translokationen und Amplifikationen mithilfe der Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) direkt im histologischen Schnittpräparat nachgewiesen werden. Dabei werden Fluoreszenzmarkierte DNA-Sonden in die Zellen eingebracht und binden spezifisch an die komplementären Genabschnitte. Die mikroskopische Analyse der Fluoreszenzsignale gibt Aufschluss über die Lokalisation und Kopienzahl des Zielgens. Vorteil dieser Methode ist es, dass die untersuchte genetische Aberration direkt einer Zelle zugeordnet wird und somit Informationen über die Heterogenität des Tumors gewonnen werden können. Jedoch ist die FISH auf die Detektion bekannter genetischer Veränderungen begrenzt und pro Analyse können nur wenige Mutationen untersucht werden, sodass die Methode nicht für ein Screening auf alle möglichen molekularen Treiber geeignet ist [Bauer und Wiesner 2021].

Die Polymerasekettenreaktion (Polymerase Chain Reaction, PCR) ist eine Methode zur Vervielfältigung spezifischer DNA-Abschnitte und stellt eine wichtige Grundlage zahlreicher molekularbiologischer Analyseverfahren dar. Dies wurde 1993 durch die Verleihung des Chemie-Nobelpreises an die beiden Entwickler der PCR gewürdigt. Ausgangsmaterial für die PCR ist isolierte doppelsträngige DNA, die im ersten Schritt in Einzelstränge aufgeschmolzen wird (Denaturierung). Anschließend binden spezifische Primer an ihre komplementäre Sequenz (Annealing). Davon ausgehend wird der komplementäre DNA-Strang synthetisiert (Elongation). Durch eine 30- bis 40-fache Wiederholung dieses Zyklus steigt die Kopienzahl exponentiell. Das so gewonnene Material kann anschließend, z. B. mittels Gel- oder Kapillarelektrophorese, analysiert werden [Bauer und Wiesner 2021]. Deletionen oder Insertionen, die zu kürzeren bzw. längeren DNA-Abschnitten führen, können so nachgewiesen werden. Mithilfe der quantitativen PCR (qPCR) sind auch spezifische Mutationen detektierbar. Dafür werden Fluoreszenz-markierte Sonden eingesetzt, die komplementär zur mutierten bzw. nicht mutierten DNA-Sequenz sind und im Annealing-Schritt an den entsprechenden Abschnitt binden. Während der Elongation werden die Sonden freigesetzt und das Fluoreszenzlicht emittiert. Die Intensität der Fluoreszenz lässt Rückschlüsse auf die Menge der entsprechenden DNA im Ausgangsmaterial zu. Diese Methode ist schnell und relativ kostengünstig, wenn einzelne bekannte Mutationen untersucht werden sollen. Bei der reversen Transkriptions-(RT-)qPCR dient mRNA als Ausgangsmaterial, das in einem vorgelagerten Schritt zunächst in komplementäre DNA (cDNA) transkribiert wird, welche anschließend die qPCR-Schritte durchläuft. Dieses Verfahren ermöglicht beispielsweise den Nachweis von METex14-Skipping auf mRNA-Ebene, indem die MET-Exon-13-Exon-15-fusionierte mRNA detektiert wird.

Die PCR stellt auch die Basis der Sanger-Sequenzierung dar, bei der die vollständige Basenabfolge des zuvor amplifizierten DNA-Abschnitts ermittelt wird. Während der letzten Elongation ist ein kleiner Anteil der Nukleotide je nach Base mit einem anderen Fluoreszenzfarbstoff markiert. Diese werden zufällig an unterschiedlichen Positionen in den neu synthetisierten Strängen eingebaut, worauf ein Abbruch der Synthese des jeweiligen Stranges erfolgt. Das Resultat sind unterschiedlich lange DNA-Stränge, die genau eine farbliche Markierung entsprechend der letzten eingebauten Base aufweisen. Die Stränge werden anschließend elektrophoretisch nach ihrer Größe getrennt. Dann wird der Reihe nach das Fluoreszenzsignal gemessen, aus dem sich die Basenabfolge rekonstruieren lässt (Abbildung 4) [Muzzey et al. 2015]. Auf diesem Wege kann eine Vielzahl an Mutationen innerhalb des amplifizierten Abschnitts detektiert werden. Die Untersuchung zahlreicher molekularer Treiber macht die Methode jedoch arbeitsaufwändig und teuer, sodass sie für ein Screening nicht gut geeignet ist.

Das fortschrittlichste Verfahren in der molekularen Diagnostik stellt das Next-Generation Sequencing (NGS) dar. Im Gegensatz zur Sanger-Sequenzierung wird die zu untersuchende DNA fragmentiert und die resultierenden Templates an definierten Positionen auf einem Glasträger fixiert. Zudem sind alle Nukleotide mit Fluoreszenzfarbstoff markiert. Nach dem Einbau des Nukleotids während der Synthese wird direkt die Fluoreszenz detektiert. Anschließend erfolgt eine Umwandlung der modifizierten Base in eine reguläre Base, die eine weitere Strangverlängerung ermöglicht.

Abbildung 4: Übersicht über die Verfahren zur Sanger-Sequenzierung (links) und zum Next Generation Sequencing (NGS) (rechts); modifiziert nach [Muzzey et al. 2015].

Dieser Zyklus wird mehr als hundertmal wiederholt (Abbildung 4). Anschließend werden die Ergebnisse der einzelnen Templates bioinformatisch zusammengefügt und ausgewertet. Entscheidend ist, dass während einer Sequenzierung nicht nur ein Template untersucht wird, sondern Millionen Templates auf dem Glasträger aufgebracht sind, die anhand ihrer Position voneinander unterschieden werden können. Diese Parallelsequenzierung ermöglicht einen hohen Durchsatz an unterschiedlichen Tumorproben bei gleichzeitiger Analyse vieler Zielgene (High-Throughput). Im Gegensatz zur PCR werden beim NGS zudem keine Kenntnisse der Sequenz/Mutation vorausgesetzt, vielmehr können auch neue Varianten detektiert werden [Muzzey et al. 2015]. Als Ausgangsmaterial für das NGS kann ebenso wie bei der qPCR auch mRNA genutzt werden, sodass Veränderungen auf mRNA-Ebene detektiert werden können.

Mit zunehmender Anzahl therapierelevanter molekularer Treiber im NSCLC gewinnt auch die molekulare Diagnostik immer weiter an Bedeutung. Dabei stellt sich die Frage, welche molekularbiologischen Nachweisverfahren am besten geeignet sind, denn bleibt eine Mutation unentdeckt, so entgeht dem Patienten womöglich eine wirksame zielgerichtete Therapie. Eine Simulationsstudie untersuchte die Auswirkungen von Einzelgentestungen (Single Gene Testing, SGT) von EGFR und ALK im Vergleich zu NGS (Untersuchung von EGFR, ALK, ROS1, BRAF, RET, MET, NTRK) auf die gewonnenen Lebensjahre von Patienten mit nichtplattenepithelialem NSCLC in den USA. Bei einer derzeitigen Testrate von 80 % ergab das hypothetische Modell einen Gewinn von > 21.000 Lebensjahren, wenn SGT vollständig durch NGS ersetzt würde. Eine Steigerung der Testrate auf 100 % der infrage kommenden Patienten würde einen Gewinn weiterer 10.000 Lebensjahre zur Folge haben [Pennell et al. 2020]. Eine andere Studie verglich, inwiefern die sehr heterogene EGFR-Exon-20-Insertion (Exon20ins), die etwa 10 % aller EGFR-Mutationen beim NSCLC ausmacht, mittels qPCR bzw. NGS nachgewiesen werden kann. In zwei amerikanischen NGS-Datenbanken wurden 175 bzw. 627 Patienten mit Exon20ins identifiziert. Dabei wurden 40 bzw. 102 unterschiedliche Mutationsvarianten nachgewiesen. Von den neun bzw. 17 häufigsten Varianten (mehr als fünf Patienten) wären jeweils lediglich vier mit kommerziell verfügbaren PCR-Tests nachweisbar gewesen. Insgesamt hätten PCR-Tests lediglich die Hälfte der Patienten mit Exon20ins identifiziert [Bauml 2021]. Diese Ergebnisse machen deutlich, wie wichtig eine breite und sensitive molekulare Diagnostik ist, die sowohl sämtliche molekulare Treiber als auch mögliche Varianten umfasst.

Unabhängig von dem beschriebenen Verfahren ist die Grundlage der molekularen Testung immer eine ausreichende Gewebeprobe des Tumors, die mittels Biopsie oder Feinnadelaspiration gewonnen werden muss. Da zum einen nicht bei allen Patienten Tumorgewebe entnommen werden kann und zum anderen eine regelmäßige Überprüfung des Mutationsstatus im Therapieverlauf an Bedeutung gewinnt, ist in den letzten Jahren die sogenannte Liquid Biopsy in den Fokus des Interesses gerückt. Dabei werden aus einer Blutprobe Tumorzellen oder frei zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) isoliert. Derzeit wird die Liquid Biopsy gemäß den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) nur bei erworbener EGFR-TKI-Resistenz und negativem Ergebnis bezüglich einer T790M-Resistenzmutation in der Gewebe-Rebiopsie oder bei nicht verfügbarer Gewebe-Rebiopsie empfohlen [Leitlinienprogramm Onkologie 2018]. Die kürzlich aktualisierte Onkopedia-Leitlinie benennt die Liquid Biopsy hingegen generell als mögliches Verfahren für die Resistenztestung, jedoch sollte bei einem negativen Ergebnis zusätzlich eine Gewebe-Rebiopsie erfolgen [Onkopedia 2021]. Eine Kohortenstudie von Aggerwal und Kollegen zeigte hingegen, dass eine Ergänzung des Standardmanagements um NGS mit Liquid-Biopsy-Proben zur deutlichen Steigerung der detektierten therapeutisch relevanten molekularen Treiber bei NSCLC-Patienten mit Stadium IV führt. In die prospektive Studie wurden 229 Patienten eingeschlossen, bei 128 Patienten wurde eine NGS-Analyse von Gewebe und Liquid Biopsy durchgeführt, bei 101 Patienten war eine Gewebeanalyse nicht möglich, sodass nur die Liquid Biopsy untersucht wurde. Während die Analyse der Gewebeproben bei 47 Patienten (20,5 %) eine therapierelevante Mutation identifizierte, erhöhte eine Sequenzierung der ctDNA aus Blutplasma die Anzahl der Patienten auf 82 (35,8 %) [Aggarwal et al. 2019].

Obwohl NSCLC-Patient*innen im Stadium IV nachweislich von der molekularen Diagnostik profitieren, ist ihre Anwendung heute noch unzureichend. So ergab eine deutschlandweite Erhebung zwar einen anhaltenden Anstieg der Testraten im Jahr 2019 auf 89 % der Patient*innen mit metastasiertem NSCLC vor Erstlinientherapie. Allerdings werden nicht immer alle relevanten Mutationen angefordert und es gibt noch Unterschiede hinsichtlich der Testraten zwischen den verschiedenen Versorgungseinrichtungen. Letzteres ist u. a. auf eine unzureichende Kostenerstattung zurückzuführen. Während im ambulanten Bereich die molekulare Diagnostik Bestandteil des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) ist, fehlt eine zufriedenstellende Abrechnung für den stationären Bereich. Die Erhebung ergab weiterhin, dass die Dauer bis zum Erhalt des Testergebnisses zum Teil zu lang ist, sodass bei 18 % der Patient*innen bereits vor Vorliegen des Ergebnisses eine Therapie initiiert wurde [Ostermann und Ukena 2020]. Dies sollte jedoch vermieden werden, da zielgerichtete Therapien insbesondere in der Erstlinie gut wirksam sind [Rosell et al. 2012, Solomon et al. 2014, Wolf et al. 2020]. Eine Datenbank-basierte Untersuchung in den USA ergab, dass von 2.971 Patient*innen mit fortgeschrittenem nichtplattenepithelialem NSCLC bei 23,2 % keine molekulare Testung vor der Erstlinientherapie durchgeführt wurde. Von den 2.281 getesteten Patient*innen hatten 59,4 % einen NGS-Test erhalten, der bei 13,4 % als unzureichend (d. h. kein erfolgreicher Test bei einem der vier Gene ALK, BRAF, EGFR oder ROS1) eingestuft wurde. Deutlich höher (52,5 %) war der Anteil unzureichender Tests bei Patient*innen, die mit einem anderen Testverfahren untersucht wurden. Während in der NGS-Gruppe ca. einem/einer von zehn Betroffenen möglicherweise eine gezielte Therapie entging, betraf dies in der Gruppe anderer Testverfahren vier von zehn Patient*innen [Gondos et al. 2020].

Es lässt sich zusammenfassen, dass eine breite und frühzeitige molekulare Testung von Patient*innen mit NSCLC dringend erforderlich ist. Gründe hierfür sind die schlechten Prognosen, die mit einigen molekularen Treibern verbunden sind, die Wirksamkeit von zielgerichteten Therapien sowie die suboptimale Wirksamkeit anderer Therapieoptionen wie z. B. Immuncheckpoint-Inhibitoren [Mazieres et al. 2019].