Diagnose und Therapie der chronischen Urtikaria

1. Einleitung

Juckende Quaddeln, Angioödeme oder beides zusammen definieren das Erscheinungsbild der Urtikaria [Zuberbier et al. 2018]. In den meisten Fällen tritt die Urtikaria akut auf und verschwindet in der Regel nach kurzer Zeit wieder. Wenn die Symptome jedoch länger als sechs Wochen auftreten, spricht man von einer chronischen Urtikaria, die eine Lebenszeitprävalenz von ca. 2 % aufweist. Die Lebenszeitprävalenz für alle Formen liegt bei ca. 9 % [Zuberbier et al. 2010]. Man unterscheidet bei der chronischen Urtikaria zwischen zwei Formen: Bei der spontanen Urtikaria treten die Symptome spontan, also ohne spezifische Auslöser, auf [Maurer et al. 2011]. Bei der induzierbaren Form sind Wärme, Kälte, Licht, Druck, mechanische Irritation oder die Erhöhung der Körpertemperatur spezifische Auslöser für Urtikaria-Symptome. Gleich ist allen Formen, dass es sich um eine systemische Erkrankung handelt, die in ihrer Ganzheitlichkeit behandelt werden muss.

Auch wenn die Triggerfaktoren sehr vielfältig sind, zeigt sich die Urtikaria mit typischen Symptomen wie geröteter Haut, juckenden Quaddeln und teilweise großflächigen Haut- und Schleimhautschwellungen. Müdigkeit, eine Veränderung des optischen Erscheinungsbildes, Angst, Depression sowie eine Beeinträchtigung der individuellen Leistungsfähigkeit in Beruf und Alltag wirken sich negativ auf die Lebensqualität der Patienten aus [Maurer et al. 2017a, Maurer et al. 2016, Maurer et al. 2017d]. Da die Urtikaria im Vergleich zu anderen dermatologischen Erkrankungen zur Gruppe der Hauterkrankungen zählt, welche die Lebensqualität am stärksten einschränken [Lewis und Finlay 2004, Sanclemente et al. 2017], ist es Ziel der Behandlung, eine vollständige Beschwerdefreiheit zu erreichen. Ein schnellstmöglicher Behandlungsbeginn sollte daher im Fokus stehen.

Die meisten Patienten mit Urtikaria werden bei ihrem Allgemeinmediziner behandelt, nur etwa 12 % der Patienten mit chronischer spontaner Urtikaria sind beim niedergelassenen Dermatologen in Behandlung [Schielein et al. 2019]. Unabhängig vom zuständigen Arzt ist jedoch knapp die Hälfte der Patienten nicht zufrieden mit ihrer Behandlung [Wagner et al. 2019]. Auch die Versorgungsstudie AWARE zeigte, dass trotz Therapie etwa ein Drittel der Patienten auch nach zwei Jahren keine ausreichende Krankheitskontrolle erreicht [Maurer et al. 2019a]. Zudem entspricht die medikamentöse Versorgung im klinischen Alltag häufig nicht den Leitlinien [Maurer et al. 2019b]. Es besteht demnach großer Handlungsbedarf, um die Versorgungssituation und Patientenzufriedenheit zu verbessern.

Die vorliegende zertifizierte Fortbildung stellt Ihnen die aktuellen Definitionen und Klassifikationen der Urtikaria vor. Weiterhin werden Ihnen die Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie auf Basis der aktuellen EAACI/GA2LEN/EDF/WAO-Leitlinie für Urtikaria bzw. der 6. Konsensus-Konferenz zur Aktualisierung und Revision dieser internationalen Leitlinie, die am 03. Dezember 2020 in Berlin stattfand, erläutert [Zuberbier et al. 2018, EAACI/GA2LEN/EDF/WAO 2020].